Neue Situationen erfordern neue politische Bündniskonstellationen. So, oder so ähnlich könnte das Motto lauten, unter dem die rechtsextreme »Bürgerbewegung Pro Köln« und der Schriftsteller und Holocaust-Überlebende Ralph Giordano derzeit die Schlacht gegen den Bau einer Moschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld führen. Mögen die Methoden der selbsternannten Retter des christlichen Abendlandes noch so unterschiedlich sein, ihre rassistischen Phrasen unterscheiden sich nur partiell voneinander.
Während die rechtsextreme »Bürgerbewegung«, die in Fraktionsstärke im Rat der Stadt Köln vertreten ist, ihre Anhängerschaft für kommenden Sonnabend zu einer Demonstration gegen den Bau der Moschee mobilisiert, nutzt Giordano seine Bekanntheit, um die angespannte Debatte für eine Art Generalabrechnung mit Muslimen zu mißbrauchen. In nicht zu überbietender Pauschalität geißelte der Publizist die »zahllosen Facetten grundgesetzwidriger Wirklichkeit in den muslemischen Parallelgesellschaften« und die »klammheimlichen und offenen Sympathien für den Terror aus dem Islam«. Den geplanten Bau der Moschee bezeichnete er als »Provokation«. »Was sich da in Deutschland tut – Moscheen schießen wie Pilze aus der Erde –, beunruhigt mich aufs tiefste«, erklärte er weiter. Die »Bürgerbewegung Pro Köln« hätte es kaum besser formulieren können und versuchte, den Schriftsteller politisch zu vereinnahmen. Diese Umarmung wies Giordano allerdings entschieden zurück und bezeichnete »Pro Köln« als die »lokale Variante des zeitgenössischen Nationalsozialismus«, deren Anhänger ihn, »wenn sie könnten wie sie wollen, in die Gaskammer stecken« würden. Dies brachte ihm eine Strafanzeige wegen Verleumdung ein, bewegte ihn aber nicht dazu, seine islamophoben Ansichten zu überdenken.
Die Vereinnahmungsversuche der Rechtsextremisten dürften Giordano nicht sonderlich überraschen. Erst kürzlich konstatierte er, daß es »Deutschlands großzügiges Ausländerrecht und seine bereitwillige Sozialhilfe« gewesen seien, die »es zum bequemen Aufenthaltsort für Terroristen gemacht« hätten. Während der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) Giordanos Äußerungen als »Wasser auf die Mühlen der Rechtsradikalen« bezeichnete, zeigte sich Jörg Detjen, Vorsitzender der Linksfraktion im Rat der Stadt, »verwundert«. Nicht etwa, weil die rechtsextreme Gruppierung »Pro Köln« begeistert sei, sondern weil »Giordano Grundwerte wie Toleranz, die er viele Jahre immer wieder eingefordert habe, jetzt über Bord wirft.«
Neben »Pro Köln« mobilisieren mittlerweile auch der nordrhein-westfälische Landesverband der neofaschistischen NPD samt seines Jugendverbandes, JN, Teile der sogenannten Freien Kameradschaften, Gliederungen der belgischen Neonazis Vlaams Belang und der rechtspopulistischen Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) zu dem rassistischen Aufmarsch nach Köln. Antifaschisten rufen zu einer Demonstration auf, die um 10 Uhr am Kölner Westbahnhof starten und direkt am Treffpunkt der Rechten vorbeiführen soll. »Einen rechten Aufmarsch dieser Qualität hat es in Köln seit vielen Jahren nicht gegeben, wir rufen alle Menschen dazu auf, sich an den Gegenaktivitäten zu beteiligen und den rassistischen Mob von rechtskonservativen Bürgern über Rechtspopulisten aus dem In- und Ausland bis hin zu militanten Neonazis, nicht ungestört durch Ehrenfeld laufen zu lassen«, erklärte Sina Weinreich von der Kampagne »Kein Bock auf Pro Köln«.
Erschienen am 14.06.2007 in der Tageszeitung Junge Welt